News, Orchestra | Von Alexandra Link

Der Flicorno d’oro in Riva del Garda

Flicorno
Fotos: Emilio Santinelli

“Ein Mega-Wochenende – der Spirit, der See, die Berge, die Internationalität … Beim Flicorno d’oro in Riva del Garda dabei zu sein ist schon ein Gewinn!” So fällt das Fazit von Stefan Reggel, Dirigent der Harmoniemusik Füssen, aus. Der 23. Flicorno d’oro ist schon wieder Geschichte, aber der Internationale Blas­orchesterwettbewerb war wie jedes Mal ein großes Ereignis für die teilnehmenden Orchester und die Besucher. Und die Reise hallt nach: “Wir haben so unglaublich viel gelernt – sowohl in der Vorbereitungszeit als auch beim Wettbewerb. Das Festival mit diesem internationalen Charakter ist ein riesiger Mehrwert für den Verein. Und so eine Reise schweißt zusammen”, so Stefan Reggel weiter.

International war der Flicorno d’oro in der Tat: Unter den insgesamt 26 teilnehmenden Blas­orchestern waren sechs aus Deutschland, drei aus Österreich, zwei aus der Schweiz und je ein Orchester aus Ungarn, Slowenien, Belgien und Thailand. Damit waren zum ersten Mal mehr ausländische Orchester dabei als italienische. Und auch die Jury war international besetzt. Als Jury-Vorsitzender fungierte Franco Cesarini aus der Schweiz, die weiteren Juroren waren Helmut Schmid aus Österreich, Rafa Garrigos aus Spanien, Rom Shamir aus Israel, Bert Appermont aus Belgien sowie Filippo Ledda und Savino Acqua­viva aus Italien. 

Zusammenarbeit in der internationalen Jury

“Die Zusammenarbeit in der internationalen Jury war sehr angenehm und wir waren uns in der Bewertung immer sehr einig”, meinte Franco Cesarini. Ihm oblag als Jury-Vorsitzender die Vergleichbarkeit aller antretenden Orchester. Er war als Einziger bei jedem Wettbewerbsvortrag dabei. Eine Besonderheit in der Bewertung ist, dass der Jury-Vorsitzende zusammen mit jeweils drei Juroren (bei zwei Teams) die Bewertungen abgeben. Die niedrigste Punktzahl der vier Juroren wird gestrichen und von den höchsten drei wird der Durchschnitt errechnet.

“Bei der Bewertung der Orchester halten wir uns im Prinzip an die Partitur”, erklärt Franco Cesarini. “Wenn jedoch das, was nicht in der Partitur, aber zwischen den Noten steht, sensationell gut umgesetzt wird, wird der Vortrag zu einem tollen Erlebnis und man hört sehr gerne zu.” Ausgewertet wurden in diesem Jahr die Punkte erstmalig in einem eigens für den Wettbewerb erstellten Programm. Die Juroren gaben ihre jeweilige Punktzahl jeweils in ein Tablet ein. Im Büro liefen die Zahlen zusammen, wurden an eine Leinwand gebeamt und somit gab es jederzeit intern für die Juroren eine Übersicht der Bewertungen.

Franco Cesarini bestätigt enorme Entwicklung

Franco Cesarini war 1993 zum ersten Mal in der Jury beim Flicorno d’oro, zuletzt 2013. “Die Entwicklung des Wettbewerbs und der Orchester von 1993 über 2013 bis heute ist enorm”, bestätigt Franco Cesarini. Davon ist auch Marco Somadossi, der künstlerische Leiter des Flicorno d’oro überzeugt. Er spricht vor allem über die Entwicklung der italienischen Blasorchesterszene, die ohne den Flicorno d’oro mit seinen internationalen Teilnehmern so nicht hätte fortschreiten können. Auch in diesem Jahr hatten die italienischen Orchester in den meisten Kategorien die Nase vorn. 

Gewinner der Trophäe “Flicorno d’oro” ist das Orchestra di Fiati “Brixae Harmoniae”, ein Auswahlorchester mit Profimusikerinnen und -musikern, Studierende und semi-professionellen Musikerinnen und Musikern aus der Region Brescia. Sie traten in der Categoria Superiore (übersetzt mit Oberstufe, aber nicht mit unserer Oberstufe, sondern eher mit unserer Höchststufe vergleichbar) an, mit dem Pflichtstück Sinfonietta No. 3 “Zwölfmalgreien Sketches” von Franco Cesarini und dem Selbstwahlstück “Del Color de las mareas” von José Miguel Fayos-Jordán. 

Neben den italienischen Blasorchestern fielen vor allem zwei österreichische auf: Die Marktmusikkapelle Taiskirchen gewann unter der Leitung von Johanna Huber in der Categoria Seconda (2. Kategorie) mit dem Pflichtstück “A Porta Pia” von Carlo Della Giacoma, arrangiert von Filippo Cangiamila und dem Selbstwahlstück “Alpina Saga” von Thomas Doss. Der Musikverein Roitham am Traunfall unter der Leitung von Christoph Wiesenberger erreichte den zweiten Platz in der Categoria Terza (3. Kategorie). 

Auftritt der Suranaree Girls Wind Symphony

Ein absolutes Spektakel war der Auftritt der Suranaree Girls Wind Symphony. 90 Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren aus einer Schule in Nakhon Rachasima, im nordöstlichen Thailand, etwa 250 Kilometer von der Hauptstadt Bangkok entfernt. Ziel der ersten Italienreise des Orchesters war nicht nur der Wettbewerb in Riva und die drei kleinen Konzerte in Oberitalien, sondern auch, dass die Mädchen Italien mit seiner reichen Kultur kennenlernen sollten. Weitere Stationen der Reise waren Mailand, Verona, Venedig, Florenz, Bologna, Pisa und Rom.

Vom Wettbewerb in Riva war der Dirigent Apivut Minalai sehr begeistert: “Es war großartig, wie das Publikum das Orchester feierte.” Und über den Wettbewerb für sein Orchester sagt er: “Meine Erwartungen waren, dass die Mädchen ein schönes Wettbewerbskonzert in einem internationalen Rahmen und im Vergleich zu Blasorchestern aus Italien, Deutschland, Belgien und weiteren Ländern geben können. Wir spielten nicht, um zu gewinnen, sondern um zu zeigen, dass auch Asiaten die Blasmusik-Kultur lieben und auch wir sehr gute Blasorchester haben.”

Zufriedener künstlerischer Leiter

Marco Somadossi, der künstlerische Leiter des Flicorno d’oro ist sichtlich zufrieden: “Freundlichkeit, Respekt, Motivation, positive Ermutigung, die Freude am Musizieren und Musikhören sind die Aspekte, die die Blasorchester, die Musikerinnen und Musiker, das Publikum und die Veranstalter bei der 23. Ausgabe von Flicorno d’oro auszeichneten.” Wichtig ist und bleibt für ihn und die Organisation, dass der Flicorno d’oro der Ort sein soll, an dem sich italienische mit internationalen Blasorchestern messen können. Im Mittelpunkt steht die Darstellung der italienischen Blasorchesterszene im internationalen Vergleich. Deshalb wird auch in Zukunft die Anzahl der Blasorchester aus Italien bei etwa 50 Prozent liegen, es werden immer Juroren aus Italien in der Jury sitzen und auch die Pflichtstücke werden zukünftig wie bisher eine gute Mischung aus italienischen und internationalen Werken sein. 

Mit 26 teilnehmenden Blasorchestern liegt der diesjährige Wettbewerb anzahlmäßig noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau (39 Orchester im Jahr 2019). Angestrebt werden für das nächste Jahr etwa 35 Blasorchester. Bezüglich des Kongresszentrums in Riva gibt es Erfreuliches zu berichten: Direkt neben dem alten Palazzo dei Congressi wird ein neues Theater mit einem Konzertsaal mit perfekter Akustik gebaut. Bis der Flicorno d’oro allerdings in den neuen Räumlichkeiten stattfinden kann, müssen wir uns noch bis etwa zum Jahr 2027 gedulden.

Das Datum für 2024 steht schon fest

Im nächsten Jahr findet der Flicorno d’oro vom 22. bis 24. März statt. Stefan Reggel, der in diesem Jahr zum ersten Mal mit einem Orchester in Riva del Garda war, möchte alle Blasorchester ermutigen, einmal am Flicorno d’oro teilzunehmen. Und er empfiehlt: “Sucht mit Bedacht das Pflichtstück aus!” Die Pflichtstücke werden immer sehr frühzeitig im Herbst bekannt gegeben. Weiter: “Lasst Euch nicht vom Namen der Kategorie leiten. Das Pflichtstück muss für Euer Orchester passen. Lasst frühzeitig Euer Selbstwahlstück einstufen. Habt den Mut, auch mit einem kleineren Orchester am Wettbewerb teilzunehmen.

Achtet jedoch trotzdem auf eine vollständige Besetzung gemäß den gewählten Partituren. Plant ein bis zwei Tage vor und nach dem Wettbewerb in Riva del Garda ein. Kommt nicht nur zum Wettbewerb und Euer eigenes Spiel, sondern hört die anderen Orchester und erfreut Euch an Eurer Gemeinschaft, dem internationalen Geist, der Landschaft, dem guten Essen, dem Wein und den Sehenswürdigkeiten am Gardasee. Verpasst auf keinen Fall die Siegerehrung! Dort herrscht eine Mega-Stimmung, wie ich sie sonst noch nirgendwo erlebt habe.”