Wood | Von Hans-Jürgen Schaal

Das Flötenkonzert. Das Stichwort

Flötenkonzert
Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci (Ölgemälde von Adolph Menzel 1852)

Flöte ist nicht gleich Flöte. Die Geschichte des euro­päischen Flötenkonzert betrifft mindestens drei recht verschiedene Instrumente: die Blockflöte, die hölzerne Querflöte und die moderne Böhmflöte.

Der englische König Heinrich VIII. (der mit den sechs Frauen) hinterließ bei seinem Tod angeblich 76 Blockflöten – eine recht hübsche Sammlung. Die Blockflöte (“englische Flöte”) wurde in der Renaissance-Zeit tatsächlich in bis zu 21 Größen gebaut, sogar als Kontrabass-Instrument mit fast drei Metern Länge. Obwohl der Ton der Blockflöte weich und leise ist (man nannte sie auch “flûte douce”), haben die Barockkomponisten sie sogar zum Solo-Instrument mit Orchester gemacht. Antonio Vivaldi (1678 bis 1741), der die dreisätzige Solokonzert-Form eigentlich durchgesetzt hat und Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) schrieben die berühmtesten Solistenkonzerte für die Alt- oder Sopranblockflöte (Flautino).

Als die Orchester größer wurden, bekam die “süße” Blockflöte allerdings Schwierigkeiten durchzudringen. Das war der Hauptgrund, wa­rum sich ab 1700 zunehmend die Querflöte (“deutsche Flöte”) behauptete. Für sie schrieb Vivaldi deutlich mehr Konzerte – einige wurden unter hübschen Titeln wie “Der Meeressturm”, “Die Nacht” oder “Der Distelfink” bekannt. Telemanns Konzert in e-Moll für zwei Solostimmen – Altblockflöte und Querflöte – sowie Streicher und Basso continuo fängt quasi den historischen Übergang ein – von der “englischen” zur “deutschen” Flöte. Die Blockflöte wurde daraufhin für rund 200 Jahre gründlich vergessen. Als Igor Strawinsky erstmals eine Blockflöte sah, hielt er sie für ein Rohrblattinstrument.

Prominente Flöten-Solostimme

Das bekannteste Flötenkonzert des Barock ist eigentlich überhaupt keines. Denn erstens ist es eine Suite, kein Konzert und zweitens ursprünglich ein Orchesterwerk. Doch als Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) im Jahr 1739 wieder die Leitung des Leipziger “Collegium Musicum” übernahm, hat er seiner 2. Orchestersuite in h-Moll (BWV 1067) nachträglich eine prominente Flöten-Solostimme verpasst, vor allem in den “Nachsätzen” zur Bourree (Bourree II) und zur Polonaise (Double). Am bekanntesten wurde die abschließende Badinerie, ein Virtuosenstück für die Flöte. Bachs Solist war möglicherweise Pierre-Gabriel Buffardin (1689 bis 1768) oder aber Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel.

Letzterer wurde dann der Hofcembalist von Friedrich dem Großen, der selbst die Querflöte spielte und ein wichtiger “Promoter” dieses In­struments war. Am Hof in Potsdam entstanden daher eine große Zahl an Flötenkonzerten – durch C.P.E. Bach, durch Friedrich II. selbst (er schrieb mindestens vier Konzerte) und vor allem durch Johann Joachim Quantz (1697 bis 1773), den Flötenlehrer und Flötenbauer des Königs. Auch in Mannheim, dem damaligen “Paradies der Tonkünstler”, war die Flöte höchst beliebt. Vor allem Franz Xaver Richter, Carl Stamitz, Franz Danzi und Karl Joseph Toeschi komponierten Solistenwerke für sie mit Orchester. Mozart schwärmte von der Mannheimer Liebe zu den Bläserfarben, auch wenn er selbst mit der Flöte nicht so viel anfangen konnte. Immerhin schrieb Mozart drei Konzerte im Auftrag eines vermögenden Hobbyflötisten aus den Niederlanden.

Die Flöte wurde ein neues Instrument

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Querflöte zu einem neuen Instrument – dank Theobald Böhm, der ihr einen Metallkorpus, eine zylindrische Bohrung, exakt berechnete Grifflöcher und einen angelöteten Klappenmechanismus verpasste. Die Romantiker störten sich noch vielfach an dem neuen, massiven Klang dieses In­struments, den sie als trompeten- oder oboenartig empfanden. Ihren Höhenflug begann die moderne Böhmflöte daher erst im 20. Jahrhundert. Ob Saint-Saëns, Jolivet, Françaix, Rivier oder Ibert: In Frankreich entstanden die schönsten Flötenkonzert zwischen Spätromantik, Neo­klassik und Impressionismus. Zu den bekannten Komponisten von Flötenkonzerten im 20. Jahrhundert gehörten außerdem Barber, Bernstein, Feldman, Khatchaturian, Maderna, Penderecki und Weinberg.

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel, Der Dämpfer